Auf unserer Reise geht es weniger darum Sehenswürdigkeiten ab zu klappern als vielmehr Land und Leute kennen zu lernen und in andere Kulturen ein zu tauchen. Nun gut, dafür hätten wir jetzt nicht unbedingt einen Getriebeschaden gebraucht aber unsere Panne hat uns die Möglichkeit gegeben ein kleines Dorf in der Finnmark kennen und lieben zu lernen. Seit fast 4 Wochen also quasi den halben Sommer stehen wir nun in zentraler Lage neben dem Friedhof in Lebesby. Schon bei unserer Ankunft haben wir uns unglaublich über die Gastfreundschaft der Menschen hier gefreut, mittlerweile sind wir aber so gut wie eingebürgert. Sogar die „Taufe“ zur „Arctic Woman“ bzw. zum „Arctic Man“ haben wir gut überstanden. So ein Bad in der Barentsee hat schon etwas Erfrischendes 😉 Man muss dazu sagen, dass der diesjährige Sommer in Nord-Norwegen außergewöhnlich kalt ist. Selbst die Einheimischen jammern über die Temperaturen und als es dann doch zweieinhalb warme Tage gab wurde das Wetter voll ausgenutzt. Nach dem Bad zündeten wir unseren Grill an und machten uns ein kühles Bier auf. Es dauerte nur wenige Minuten da hielt ein Auto an und ein Einheimischer fragte ob er sich später zu uns gesellen dürfte. Als er wieder kam hatte er nicht nur jede Menge Bier mit dabei sondern gleich noch andere Nachbarn im Schlepptau. Im Laufe der Nacht kamen noch weitere Nachbarn mit dazu und wir feierten sozusagen die Beach-Party des Jahres bei Sonnenschein bis in die frühen Morgenstunden. Und so sollte es weitergehen. Unser Stundenplan war knapp getaktet. Kaffee und Waffeln bei John`s Familie wo wir gleich auch noch unser Wäsche waschen durften, anschließend wollten wir einen kurzen Spaziergang zum See machen, trafen dort auf Einheimische die gerade vom Angeln zurück kamen und so wurden wir quasi genötigt ihre Ausrüstung und ihr Ruderboot zu nehmen um selbst unser Glück zu versuchen. Und siehe da, wir haben ein paar schöne Meerforellen gefangen. Tags darauf bekamen wir Besuch von einem Offroad-Fahrzeug. Annette und Michael boten uns ihre Unterstützung an und am Abend genossen wir gemeinsam noch einmal das schöne Wetter und grillten mit John`s Familie. Als es irgendwann zu kalt wurde lud John`s Vater uns alle in sein Gartenhaus ein wo er schon ein schönes Feuer gemacht hatte und die Party konnte weiter gehen. Am nächsten Tag waren wir am Vormittag in Frode`s Sommerhaus zu Kaffee und Waffeln eingeladen, Nachmittags gab es einen herrlichen Streuselkuchen von Annette und zum Abendessen fanden wir uns wieder bei John`s Familie ein wo uns ein wunderbares traditionelles Rentiergericht aufgetischt wurde. Weil wir an diesem Tag ja sicherlich noch nicht genug gegessen hatten gab es noch Moltebeeren mit Schlagobers als Nachspeise. Verhungern müssen wir definitiv nicht in Lebesby! Die Freundlichkeit und Selbstverständlichkeit mit der wir hier aufgenommen und eingeladen wurden ist einfach unbeschreiblich. Die wollen uns behalten, soviel ist klar. Sogar Jobs haben wir angeboten bekommen und eine Wohnung wurde uns gezeigt und John`s Cousin hat uns sämtliche Küchenmesser frisch geschliffen – weil ihm das Spaß macht… Schön langsam haben wir fast den Verdacht, dass unser Getriebe sabotiert wurde um neue Einwohner für Lebesby zu gewinnen 😉

Aber nicht nur die Norweger sind gastfreundlich. Immer wieder treffen wir Reisende die bei uns stehen bleiben um ein bisschen zu quatschen und über Instagram haben wir uns mit Carola und Stefano alias heimathafen.one verabredet die ebenfalls gerade in der Finnmark unterwegs waren. Als die Beiden bei uns ankamen wurden wir von John`s Familie auch gleich eingeladen Königskrabben zu probieren und so hatten wir ein gemeinsames Luxus-Abendessen ganz umsonst. Auch unsere Hunde Aida und Tom-Tom waren sofort ein Herz und eine Seele und gingen gemeinsam auf Katzen-Jagd in Lebesby 😉  Als uns unsere neuen Freunde dann für ein paar Tage verließen um ein bisschen die Umgebung zu erkunden war Aida richtig traurig.

Um uns zumindest ein bisschen für die Gastfreundschaft revanchieren zu können bot Raimund an John bei seiner Arbeit zu helfen und so kam es, dass Raimund am nördlichsten Milchbauernhof der Welt in Bekkarfjord eine Drainage verlegt hat. In der ersten Augustwoche fand dann das Highlight des Jahres in Lebesby statt. Das Sommerfestival mit jeder Menge Aktivitäten für Kinder, Vorträgen, Pub-Abenden im Festzelt, Preisfischen und einem Live-Konzert zum Abschluss. Weil auch für das Fest helfende Hände benötigt wurden haben wir kurzerhand gemeinsam mit John die Festivalbühne aufgebaut. Mittlerweile sind wir auch schon recht geübte Fischer und so beschlossen wir aus Jux und Tollerer gemeinsam mit John (er hasst Angeln) und seiner Tochter Mina (sie hasst Angeln ebenfalls) am öffentlichen Preisfischen teil zu nehmen. Das Equipment dafür stellte uns der örtliche Krabbenfischer JØrgen zur Verfügung. In gemütlicher Runde im Festzelt bei einem Bier um umgerechnet etwa !!!9 Euro!!! wurden alle Details besprochen. Der Plan war mit dem geborgten Motorboot hinaus zu fahren, Raimund mit der Harpune ins Wasser zu schmeißen und mit einem fetten Heilbutt den Wettbewerb zu gewinnen. Raimund hatte sogar schon erste Trainingsrunden im kalten Wasser absolviert. Dann die niederschmetternde Nachricht: Spearfischen war nicht erlaubt sondern nur das Angeln mit Haken. Also tuckerten wir nach einer viel zu kurzen Nacht warm eingepackt mit dem Motorboot auf den Lakseford hinaus und badeten stundenlang Gummiforellen im Wasser. Begleitet wurden wir dabei von Tümmlern die immer wieder neben unserem Boot auftauchten und uns regelrecht verfolgten. Als wir dann schon wieder fast auf dem Retourweg waren hatte Raimund tatsächlich einen Heilbutt am Haken. Diese Biester sind stark und vermutlich hatte man auch unsere Angeln sabotiert… Jedenfalls riss die Schnur und der Heilbutt war mitsamt Gummiköder verschwunden. Schade, dieser Fisch hätte uns tatsächlich den Sieg eingebracht weil auch sonst kein Teilnehmer einen Heilbutt gefangen hatte. Letztendlich hat uns John`s Tochter gerettet. Sie hatte einen kleinen Fisch gefangen und wir mussten nicht mit leeren Händen zurückkehren. Bei unserer Ankunft am Dock wurden wir vom ganzen Dorf mit Applaus empfangen, die Ausbeute war schließlich doch nebensächlich und am Abend bei der großen Party im Festzelt wurden auch wir, das Team „Kein Joghurtbecher“ gebührend gefeiert. Die Norweger nehmen die Sperrstunde recht genau und so war das große Fest auch um 1 Uhr schon wieder zu Ende – zumindest der offizielle Teil. Danach teilte sich das Dorf in diverse Gruppen auf und weiter ging es zu den After-Partys, in Norwegen „Nachspiel“ genannt. Als wir uns schließlich um 6 Uhr morgens in unseren BIG20 verzogen waren die Partys aber noch lange nicht vorbei…

Das ist also unser Sommer in Nord-Norwegen. Wir tragen lange Unterhosen und Haube, gehen Angeln, essen Waffeln, Rentier und Königskrabben, feiern mit den Einheimischen, werden zu Ausflügen eingeladen und packen mit an wo wir können. Inzwischen sind auch unsere Freunde Carola und Stefano wieder zurück und unsere verliebten Hunde wieder vereint.

Ach ja, das Getriebe ist auch auf dem Weg. Tatsächlich ist es seit gestern in Norwegen und Raimund und John sind gerade dabei es in Olderfjord in Empfang zu nehmen. Fast hätten wir schon nicht mehr dran geglaubt, die Organisation war lang und nervenaufreibend aber das ist eine andere Geschicht und wir müssen uns langsam an den Gedanken gewöhnen, dass unsere Sommertage in Lebesby gezählt sind…