Norwegen empfing uns ein bisschen grimmig. Zumindest die sehr junge Zollbeamtin bemühte sich um einen höchst grimmigen Gesichtsausdruck als sie uns heran winkte. Pflichtbewußt streckten wir ihr Aidas Reisepass entgegen aber sie interessierte sich mehr für eventuell mitgeführten Alkohol. Also führte Raimund die junge Dame in unsere Küche und zeigte ihr diverse Flaschen mit kleinen Restmengen. Ouzo aus Griechenland, Portwein aus Portugal usw. sowie 2 Dosen Bier im Kühlschrank und fragte bei der Gelegenheit noch ganz charmant nach Reisetipps in Norwegen. Sichtlich überfordert von so viel Charme gab sich die Dame also zufrieden und wünschte uns eine gute Reise. Unser erstes geplantes Ziel war Gamvik bzw. der nördlichste Leuchtturm der Welt in Selttnes. Bereits der Weg dahin war atemberaubend schön. Irgendwie hatten wir das Gefühl die Eiszeit sei eben erst zu Ende gegangen. Mondlandschaft, Seen, Flüsse, Fjorde, winzig kleine Ortschaften und das gemütliche Brummen unseres BIG 20. Aber irgendwie war da auch noch was Anderes… so ein leichtes Vibrieren welches vermutlich am schlechten Asphalt lag. Dann ließ sich der 8. Gang nicht mehr einlegen und als er dann rein ging vibrierte wieder das ganze Fahrzeug. Ähnlich fühlte es sich im 6. Gang an und wir vermuteten bereits, dass etwas mit dem Getriebe nicht in Ordnung war. Inzwischen hatten wir schon Mehamn erreicht wo wir noch Wasser tankten und beschlossen die letzten paar Kilometer bis ganz in den Norden doch noch weiter zu fahren. Wir hatten uns mit den Schweizern Angela und Mitch, die wir in unserer letzten Nacht in Finnland kennen gelernt hatten, verabredet. Die Gänge 2, 4, 6 und 8 verwendeten wir zur Vorsicht nicht mehr. Nach Kontrolle des Getriebeöls hatten wir schließlich auch Gewissheit, dass wir uns (leider) nicht getäuscht hatten. Metallabrieb im Öl bestätigte unsere Befürchtungen. Wir hatten einen Getriebedefekt am Ende der Welt. Naja aber nun waren wir schon mal hier also wollten wir den Aufenthalt auch genießen. Bei wolkenlosem Himmel, weißen Sandstränden, kristallklarem Wasser und Sonnenschein 24 Stunden nonstop ließ es sich gut aushalten. Unser Biorhythmus war sowieso schon komplett durcheinander und so genossen wir es um 2 Uhr nachts die Gegend zu erkunden oder um Mitternacht mit der Angel auszurücken und weil das Wetter gar so schön war ließen Raimund und Mitch es sich nicht nehmen in der Barentsee zu baden oder sagen wir besser: Kurz einzutauchen… Wir hätten es trotz Temperaturen zwischen 3 und 9 Grad noch länger ausgehalten aber unser Getriebeproblem sollte nicht ewig aufgeschoben werden. Die Firma Optimobil in Grödig war bereits dabei ein Ersatzgetriebe für uns vorzubereiten und wir mussten uns um eine Werkstatt kümmern die uns helfen würde das 200kg schwere Teil auszutauschen. Nach einem kurzen höchst unerfreulichen Telefonat mit unserem Automobilclub war klar, dass wir keine Hilfe erwarten konnten. Der Schutzbrief gilt nur bis Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen und der „gelbe Engel“ am anderen Ende der Leitung machte uns in höchst arrogantem Ton klar, dass wir uns auch um eine Werkstatt und den Ersatzteilversand selbst kümmern müssten. Alles klar! Also machten wir uns nach ein paar Tagen auf den Weg nach Mehamn wo es eine kleine Werkstatt gibt. Der nördlichste Flughafen Europas ist gleich daneben, Getriebeversand und -tausch sollten also kein Problem sein… haben wir uns gedacht. Die Werkstatt darf allerdings nur an Fahrzeugen bis 3,5 Tonnen arbeiten und die Mechaniker hatten gerade ihren letzten Arbeitstag beendet und gingen nun 3 Wochen in Betriebsurlaub. Der Chef der Werkstatt schrieb uns allerdings einen Namen auf und riet uns in der Ortschaft Lebesby nach „John Olsen“ zu fragen. Vielleicht könnte er uns weiter helfen. Unterwegs trafen wir Günther, einen Deutschen Reisenden den wir am Leuchtturm schon kurz kennen gelernt hatten. Als er von unserem Problem erfuhr schloss er sich uns sofort an und tuckerte quasi im Schritttempo hinter uns her. Ein beruhigendes Gefühl, immerhin könnte unser Getriebe auch ganz den Geist aufgeben und wir in der Pampa stehen wo es keinen Handyempfang gibt. Günther wich uns auch nicht von der Seite als wir in Lebesby schließlich im örtlichen Supermarkt nach „John Olsen“ fragten. Genau so gut könnte man nach „John Smith“ fragen… Aber zum Glück ist Lebesby ein kleines Kaff mit 86 Einwohnern und jeder kennt jeden und so hatten wir John schnell gefunden. Raimund erklärte ihm kurz unser Problem und er sagte sofort zu uns zu helfen. Wir waren baff! Er empfahl uns gleich noch einen Stellplatz und so bezogen wir unser vorläufig neues Zuhause neben dem Friedhof von Lebesby. Ein paar Stunden später besuchte John uns dann im BIG 20 und wir erfuhren, dass er im Winter, sprich von Anfang Oktober bis Anfang Mai, manchmal auch etwas länger, Schneepflug fährt (siehe auch https://www.youtube.com/watch?v=mMbbeCbUFNU&frags=pl%2Cwn) und so bekam er von uns den Spitznamen „John Snow“ und nachdem wir diesen ersten Kontakt mit einem Einheimischen hergestellt hatten dauerte es auch nicht lange bis uns das ganze Dorf kannte! Gleich am nächsten Tag kam eine Nachbarin vorbei und bot uns an ihr pinkes Ruderboot auszuleihen. Als wir tags darauf auf das Angebot zurückkommen wollten trafen wir auf Frode. Er holte gerade sein Motorboot um damit zum Angeln zu fahren. In einem kurzen Smalltalk mit John erfuhr er von unserem Getriebeschaden und er lud uns kurzerhand ein den Tag mit ihm am Laksjord zu verbringen. Tatsächlich war das einer der ganz wenigen warmen Sommertage in dieser Gegend und wir sagten sofort zu. Aber anstatt zu Fischen zeigte Frode uns die schönsten Buchten, die hübschesten Sommerhäuschen, wir besuchten Brattholmen mit seiner kleinen weißen Kirche und schließlich gab es noch ein kleines Barbecue auf einer Insel. Ein traumhafter Tag in einem Paradies und trotz der Panne waren wir glücklich in Lebesby gestrandet zu sein, besser hätten wir es wohl kaum erwischen können und unser Aufenthalt in Lebesby sollte länger dauern als ursprünglich gedacht. Fad wird uns dabei aber nicht, eher im Gegenteil! Wir haben so etwas wie einen Stundenplan wann wir wo sein müssen um Kaffee zu trinken, Waffeln zu essen oder Wäsche zu waschen usw. Mehr davon gibts in unserer nächsten Geschichte!