Im Hintergrund hören wir Gewehrfeuer, Handgranaten explodieren und ein Mann schreit „Allahu Akbar!“ Raimund und ich schauen uns an… „Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt um Mama anzurufen!“ Sagt Raimund. Szenenwechsel: Mitten in der Sahara begegnet uns ein Pick-Up. 2 Männer in Kampfanzügen, schwarzem Turban und mit geladenen Kalaschnikows springen aus dem Wagen und stellen sich links und rechts von uns auf. Papa anrufen? Mist, kein Handyempfang mitten in der Wüste. Beide Szenen haben sich tatsächlich zugetragen auf unserer Reise durch Mauretanien. Das erste Mal saßen wir auf der Dachterrasse unserer Auberge in Atar, der Muezzin rief gerade zum Gebet während in der benachbarten Kaserne die täglichen Schießübungen stattfanden. Die zweite Geschichte war eine mobile Militärpatrouille die die Grenze zu Mali überwacht. Die Männer waren äußerst freundlich, fragten uns nach den Straßenverhältnissen und ob wir irgend etwas bräuchten. Sie wünschten uns eine gute Weiterfahrt und winkten uns noch nach. Für Mauretanien gibt es eine Reisewarnung. Allen Österreichern wird abgeraten in das Land einzureisen und es wird vor möglichen Entführungen und terroristischen Anschlägen gewarnt. Unsere Google Recherche hat keine Treffer zu dem Thema ergeben. Der letzte Vorfall über den berichtet wird hat sich vor 10 Jahren ereignet und auch die Einheimischen können sich an keine Vorfälle mit Touristen in den letzten Jahren erinnern. Passieren kann immer und überall etwas, in Mauretanien fühlten wir uns aber viel sicherer als beispielsweise in Frankreich oder Spanien. Grundsätzlich haben wir die Menschen als extrem freundlich, kontaktfreudig und ehrlich erlebt. Man wird natürlich auch angebettelt. Speziell in den sehr entlegenen Dörfern und rund um Nomadensiedlungen laufen Kinder und auch Erwachsene herbei und schreien nach „Cado“ (einem Geschenk). Sie sind geprägt durch die Rallyes die hier gelegentlich durchkommen. Scheinbar ist es dabei üblich Süßigkeiten, Kugelschreiber und andere Kleinigkeiten aus den Fenstern zu werfen. Wir haben stattdessen lieber einem Mann geholfen der uns mitten in der Wüste um Augentropfen gebeten hat. Es gibt so ein paar ganz typische Wehwehchen. Probleme mit den Augen durch Sand und Sonne, Kopfschmerzen weil die Menschen zu wenig trinken, Zahnschmerzen wegen des vielen Zuckers im Tee und Rheuma und Gicht weil inzwischen viele Häuser Betonböden haben. Es schadet also nicht ein paar harmlose Medikamente mit dabei zu haben wenn man durch die Sahara fährt. Grundsätzlich gibt es in Mauretanien fast alles zu kaufen, selbst in Dörfern die auf uns einen armseligen Eindruck machen. Was es so gut wie gar nicht gibt ist Alkohol. Der ist in Mauretanien generell verboten und wird man an der Grenze mit ein paar Bier erwischt kann es ganz schön teuer werden wie wir von anderen Reisenden erfahren haben. Wir hatten deshalb so gut wie nichts dabei, waren dann aber nicht wenig überrascht als uns in einem chinesischen Restaurant in Nouadhibou Bier, Wein, Gin und Whiskey angeboten wurde. Dafür gibt es Autowerkstätten und Autoersatzteile ohne Ende und quasi überall. Wir hatten uns mit unserem armen BIG 20 quer durch die Wüste und nochmal 1.000km bis Nouakchott gequält und dort die super saubere und schicke MAN Werkstatt aufgesucht. Die Mechaniker dort waren top und wollten die Ursache für unseren Leistungsabfall herausfinden. Ihr Werkstattchef war sich aber auch so sicher, dass wir einen Turbodefekt hatten und empfahl uns nach Marokko zu fahren da er keine Möglichkeiten habe den Turbo zu tauschen bzw. zu reparieren. Nicht einmal ein Manometer gab es in der Werkstatt und das angeblich „lagernde“ Ersatzteil – eine Dieselpumpe – wurde binnen 3 Stunden irgendwo organisiert, passte aber nicht. Wir zogen also wieder von dannen und bastelten selbst 3 Tage an unserem Auto herum. Direkt vor der Auberge „Jeloua“ in Nouakchott konnten wir in Ruhe basteln, durften die Dusche des Hauses benutzten und genossen die köstliche Küche des Restaurants. Während unseres Aufenthalts lernten wir „Mama“ kennen. Er stammt aus Timbuktu in Mali, gehört zum Volk der Tuareg und ist Kunstschmied. Gemeinsam mit seiner Familie musste er vor 7 Jahren aus Mali fliehen und verdient sich seither sein Geld mit seinem Handwerk in Nouakchott. Er stellt Tuareg Schmuck und Messer her und Raimund durfte ihm dabei zusehen und den Blasebalg aus Kamelleder bedienen. Binnen drei Tagen hatte Mama ein wunderschönes Messer aus einer LKW Feder, Ebenholz und Kamelleder angefertigt und wir kauften es für unseren Freund Edgar, der in Österreich ebenfalls wunderschöne Messer herstellt. Sogar ein Zertifikat in seiner Muttersprache hat Mama für uns angefertigt. Einmal fuhr er mit Raimund gemeinsam in die Stadt um neue Ventile für unsere Dieselpumpe zu besorgen und fast täglich schickt er uns Fotos und Nachrichten per WhatsApp. Wir haben einen neuen Freund gewonnen! Ebenfalls bei der Auberge Jeloua lernten wir Herrn Dahi kennen. Auch er machte eine Besorgungsfahrt mit uns und empfahl uns schließlich nach Nouadhibou zu fahren. Dort lebt sein Bruder Sidi Ahmed und der ist Ingenieur für Schiffsmotoren. Gesagt getan! Wir tuckerten 500 km weiter, immer noch mit sehr wenig Leistung und trafen uns in Nouadhibou mit Herrn Sidi Ahmed. Der konnte uns zwar nicht persönlich helfen, hatte bei unserem Treffen aber schon einen Mechaniker mit dabei den er für fähig hielt und so landeten wir schließlich in der „Werkstatt“ von Samba. Eigentlich ist die Werkstatt ein Hinterhof auf dem ein paar lädierte LKW stehen. Gearbeitet wird im Sand, alles ist ölig, Werkzeuge gibt es nur wenige und es hat etwas von einem Schrottplatz. Trotzdem vertrauten wir Samba, der sich extra am heiligen Freitag für uns Zeit genommen hatte. Schon nach wenigen Minuten hatte er eine Vermutung und so verabredeten wir uns für den nächsten Tag um das Problem endgültig zu beheben. Und siehe da, Samba und seine Jungs haben es hinbekommen. Es wurden die Filter gewechselt, neue Dieselleitungen verlegt, der Turbo überprüft und für gut befunden und der Ladeluftkühler ausgebaut und gereinigt. Als wir nach ein paar Stunden Arbeit den Motor starteten sagte Samba zu mir: „Hörst du, er ist wieder in Ordnung!“ Ja, diese Jungs haben ein Gehör dafür, sie fühlen die Fahrzeuge und sie wissen wo sie anpacken müssen und wo sie diverse Teile herbekommen. Auch in dieser, für europäische Verhältnisse, eher ungewöhnlichen Werkstatt haben wir neue Freunde gewonnen. Wir wurden zum gemeinsamen Mittagessen eingeladen, man servierte uns ständig Tee und auch von Samba bekommen wir fast täglich WhatsApp Nachrichten. Als Dank für seine Mühen haben wir ihm einen Schraubenzieher, der es ihm besonders angetan hatte und ein Maßband (so etwas hatte die Werkstatt nicht) geschenkt. Wir sind beeindruckt von den Menschen und ihren Fähigkeiten in diesem Land und wenn wir wiederkommen werden wir Samba ein bisschen Werkzeug mitbringen!