„Das ist kein Urlaub, das ist eine Expedition!“ Diesen Satz hat uns Edgar schon vor der großen Tour immer wieder gepredigt. Naja, dafür haben wir schließlich ein Expeditionsfahrzeug! Auf Teerstrasse fahren können auch die „Joghurtbecher“ und am Choum-Track haben wir bereits Blut geleckt. Wir wollten mehr von der Wüste sehen und so brachen wir auf. Zuerst auf schneller Wellblechpiste in die alte Karawanenstadt Chingetti, dort ins versandete Flussbett und ab in die Wüste. Mit frisch geschweißtem Turborohr und voller Leistung machte es richtig Spaß durch den Sand zu brettern aber leider währte die Freude nur kurz. Bereits am nächsten Tag hatten wir wieder einen deutlichen Leistungsabfall. Nichts desto trotz genossen wir die Fahrt und die unglaubliche Vielfalt die die Wüste zu bieten hat. Immer wieder begegneten uns Kamele und Esel und ständig tauchen Nomadenzelte irgendwo im Nirgendwo auf. Am dritten Tag stießen wir schließlich auf die Asphaltstrasse, die in die Stadt Tidjijka führt. Die Chinesen haben sie mitten durch ein großes Dünenfeld gebaut. Unmengen an Sand wurden da zu Seite geschoben aber die Natur holt sich alles zurück. Dort wo vor 3 Jahren noch kein Sandkorn lag wandern jetzt die Dünen über die Straße und keinen kümmert es. Man kann ja auch um die Dünen herum fahren und für die 3 Autos die da am Tag vorbeikommen zahlt sich ein Räumfahrzeug nun wirklich nicht aus. Die Fahrt war für uns nun endgültig kein Spaß mehr, es fehlte die Leistung beim Beschleunigen, mit gerade mal 40 km/h kamen wir voran und wussten zu diesem Zeitpunkt nicht wie wir es weitere 500 km mitten durch die Wüste schaffen sollen. Die beste Option war bis Tidjijka weiter zu fahren. Von dort könnten wir notfalls auf Asphalt in die Hauptstadt Nouakchott krabbeln. Also schlugen wir etwas außerhalb der Stadt in der Nähe eines Handymasten ein frühzeitiges Nachtlager auf und machten uns mit Thomas, unserem Freund und Mechaniker via WhatsApp auf die Suche nach dem Fehler. Da der Turbo offensichtlich funktionierte war die nächste Aktion einen von mehreren Dieselfiltern zu umgehen und siehe da, am nächsten Tag hatten wir gleich wieder mehr Leistung. Das Team „Schweiz-Österreich“ beschloss gemeinsam die Expedition fortzusetzen. Schlimmstenfalls bräuchten wir etwas länger und müssten langsamer fahren… Bis nach Néma, ganz im Südosten von Mauretanien wollten wir fahren und dabei weiter dem alten Karawanenweg folgen. Das Besondere an dieser Route ist, dass hier der Kontinent auseinander gebrochen ist und sich die eine Hälfte der Platte angehoben hat und, dass diese Strecke über hunderte von Jahren eine äußerst wichtige Handelsroute war. Außerdem gab es hier einmal eine Art „Straße“, die aber inzwischen nicht mehr existiert. Ab Tidjijka überließen unsere Expeditionsleiter uns das Navigieren und so kam es, dass wir einen halben Tag auf der nicht mehr existierenden alten Straße unterwegs waren und uns selbst eine Spur ziehen mussten. Als wir später wieder auf den öfter befahrenen Track stießen fanden wir rot-weiß-rote Wegweiser, eine deutlich befahrene Spur und sogar zwei Touristenfahrzeuge trafen wir an. Aber so gemütlich sollte es nicht lange bleiben. Die Spur verlief sich immer mehr und endete irgendwann komplett. Und dann, mitten im Nirgendwo taucht die Stadt Tichit auf. Hier gibt es eine Tankstelle, allerdings ist die Pumpe kaputt und somit gibt es keinen Sprit, dafür ist der Handyempfang ausgezeichnet, es gibt Brot und Gemüse zu kaufen und der Polizeichef trägt ein Trikot der Brasilianischen Nationalmannschaft und nimmt seinen Job sehr ernst. Weil wir uns bei Einfahrt in die „Stadt“ nicht gleich bei ihm anmeldeten fuhr er uns hinterher und wir mussten uns am Revier mit unseren Personalien anmelden. Auf den ersten Blick erscheint das lächerlich, andererseits kann man als Tourist in Mauretanien nicht verloren gehen. Militär und Polizei wissen immer wann man wo war und wohin man fahren wollte und sollte man dort nicht innerhalb eines gewissen Zeitraums auftauchen rückt die Suchmannschaft aus. Tichit wirkte auf uns wie das Ende der Welt. Es führt keine Straße hin, der Versorgungstruck kommt einmal alle zwei Wochen und der Militärflugplatz hat schon lange keinen Flieger gesehen. Für die Kinder dort ist jeder Tourist ein Highlight. Es gibts wohl nicht viel zu tun in Tichit… Ein bisschen Fußball spielen, Ziegen hüten und Kamele und Esel tränken. Ach ja, und Fernsehen natürlich. Immerhin hat quasi jedes Haus und jedes Zelt in Mauretanien mindestens eine Satschüssel. Etwas außerhalb der Stadt schlugen wir wieder unser Lager auf und beobachten ein Gewitter in der Ferne. Sogar ein blasser Regenbogen zeigte sich mitten in der Wüste. Von Ticht ging es dann 2 Tage lang durch Kamelgras, das sind die kleinen Sandhaufen mit den Grasbüscheln oben drauf… Wir können mit Weitblick nun sagen: „Wir hassen Kamelgras!“ Zwischen den blöden Hügeln passt grundsätzlich keine volle Fahrzeugbreite durch und so ist es immer ein fürchterliches Gerüttel und Geschepper. Durchschnittsgeschwindigkeit: 10 bis 15km/h… und es lag nicht an der mittlerweile wieder schlechten Leistung unseres BIG 20. Und trotzdem, auch mitten in den endlosen Kamelgrasweiten gibt es Highlights. Immer wieder stehen imposante Felsen mitten in der Landschaft. Besonders beeindruckend ist der Elefantenfelsen und all die anderen wunderschön geformten Gebilde mitten in der Wüste. Seit Tagen hatten wir nun kein anderes Fahrzeug gesehen und so waren wir ziemlich überrascht, als am Elefantenfelsen ein Pick-Up näher kam, Männer ausstiegen, ihre Teppiche zum Gebet ausrollten und uns schließlich um ein paar Liter Diesel fragten. Als Geschenk brachten Sie Feuerholz und einen Ziegenschenkel. 2 Tagesfahrten vor Néma wurden wir dann von einem Rettungswagen überholt. Wie in der Wüste so üblich blieben wir stehen und wurden prompt um Hilfe gebeten. Auf der Pritsche des Kastenwagens lag ein Mann mit schlimmen Bauchschmerzen. Wir gaben ihm ein krampflösendes Mittel und Schmerztropfen die uns Dietmar in Griechenland „für alle Fälle“ mitgegeben hatte. Dazu schrieben wir ein Dokument mit Uhrzeit, Medikament und abgegebener Menge für das Krankenhaus und weiter ging es, durch Dünenfelder und viel Rumpelpiste. Wir mussten dabei oft an den kranken Mann denken und hoffen, dass er es bis ins Krankenhaus geschafft hat.
Unsere Expedition war ein Auf und Ab der Gefühle. Diese unglaubliche Stille, die Sterne, die Natur, die Kamele, die Esel, die Felsen, die unendliche Weite und auch die diversen kuriosen Fundstücke… Man kann die Schönheit der Wüste nicht beschreiben und nicht auf Fotos bannen. Und dann war da noch unser armer BIG 20 der offensichtlich zu wenig Sprit bekam und sich fürchterlich plagte. Bei jedem kleinen Anstieg mussten wir mehrmals anfahren, wir konnten vor Dünen keinen Schwung holen und hofften jeden Tag, dass er durchhalten würde. Ein Wechselbad der Gefühle… eben kein Urlaub sondern eine Expedition! Und er hat durchgehalten, auch deshalb weil Raimund schließlich notdürftig mit einem Wasserschlauch einen Bypass vom Tank zur Dieselpumpe gelegt hatte!
Nach ca. 700km durch die Sahara haben wir zuerst Oualata und dann die Stadt Néma erreicht. Und von dort sind es ja nur 1.000 km bis in die Hauptstadt Nouakchott. Eines vorweg: Auch nach Nouakchott haben wir es geschafft und sogar noch weiter… Aber es war eine Plagerei. Steigungen mussten wir meistens mit dem ersten Gang fahren und sobald wir etwas Schwung hatten stand sicher irgendwo ein Esel oder ein Kamel auf der Straße und wir mussten eine Vollbremsung machen und wieder neu anfahren. In den Ortschaften am Weg wollten wir unseren BIG 20 nicht wirklich jemandem überlassen also war unsere nächste Anlaufstelle die MAN Werkstatt in Nouakchott.
Den geplanten Abstecher zu den Wüstenkrokodilen bei Kiffa mussten wir leider ausfallen lassen aber das holen wir irgendwann nach, soviel ist sicher!
An dieser Stelle ein großes DANKESCHÖN an unsere Expeditionsleiter Lucia und Edgar! Danke für alles was wir von euch lernen durften, danke für die Geduld mit dem „camion fatigué“, dem müden BIG 20 und für den ein oder anderen „Orangensaft“ am Lagerfeuer in der Sahara! Bis zum nächsten Mal (inschallah) 😉