Willkommen in Marokko aber NICHT HIER!

In Afrika scheint immer die Sonne hat mein Papa zu mir als Kind gesagt. Lieber Papa, das stimmt so nicht. Der Kontinent hat uns regnerisch und windig empfangen und wir hatten ordentlich Wellengang auf der Überfahrt von Algeciras nach Tanger Med. Sogar ein paar Hagelkörner waren dabei. Die Einreise verlief relativ unkompliziert. Es ist wohl so üblich, dass man ein bisschen hin und her geschickt wird bis man alle Stempel beisammen hat. Wir sind dann auch gleich weiter gefahren nach Tanger und dort hat das Marokko Abenteuer begonnen. Statt Ampeln gibt es unzählige Kreisverkehre aber irgendwie weiß keiner wie man die benutzt, also herrscht dort Chaos, Anarchie und es wird gehupt was das Zeug hält. Schön, dass unsere Hupe lauter ist als die der anderen Verkehrsteilnehmer. Wir haben uns durchgeschlängelt, manchmal passt kaum eine Hand zwischen die Fahrzeuge aber irgendwie funktioniert es. Mitten in der Stadt ist dann plötzlich ein junger Mann hinten auf unseren BIG 20 geklettert. Wir haben es in unserer Rückfahrkamera gesehen und eine Vollbremsung hat ihn abgeworfen. Das Spiel haben wir mehrmals gespielt aber er war hartnäckig, ist uns nachgelaufen und war schließlich wieder am Auto. Mitten in einem chaotischen Kreisverkehr sind wir stehen geblieben, Raimund hat die Brechstange zur Hand genommen und die Tür aufgerissen. Mit den freundlichen Worten „Schleich di!“ ist es ihm gelungen den Mann in die Flucht zu treiben 😉 Nach einer ruhigen Nacht in der Nähe der Stadt sind wir weiter in den Süden gefahren und haben eine wunderbare Sanddüne mit kleiner Bucht gefunden und Aida konnte endlich ausgiebig im Sand herumtoben. Die berittene Polizei hat uns bewacht und unsere Nachbarn Renate und Stefan haben uns zum Essen eingeladen. Beim Wasser tanken an einem Brunnen wollte ich Raimunds Hose durchspülen aber Fatima, die Frau die hier mit ihren Töchtern gerade Wäsche wusch hat das mit geschickten Händen übernommen. Es läuft… haben wir uns gedacht. Etwas südlich von Casablanca haben wir uns wieder einen herrlichen Strand ausgesucht und beschlossen Weihnachten hier zu verbringen. Alles war ruhig, ein Mann hat uns Tee gebracht und uns versichert, dass wir hier ruhig schlafen würden. Eine herrliche Vollmondnacht, das Meer und wir! Spätabends kamen dann Männer mit Schaufeln an den Strand und fingen an ein großes Loch zu graben. Raimund hat noch überlegt ihnen zu helfen… Dann kamen LKWs und der Sand wurde aufgeladen… Nachts, bei Vollmond und ohne Scheinwerfer… Man muss nur „Sandabbau in Marokko“ googeln um sich ein Bild zu machen. Wir haben so getan als würden wir nichts sehen und natürlich auch keine Fotos gemacht weil klar war, dass das eine größere Organisation sein musste. Am nächsten Morgen hatte die Flut auch schon alle Spuren beseitigt. Raimund hat einem Fischer geholfen sein Boot in Wasser zu bringen und dafür jede Menge Fisch geschenkt bekommen. Während wir noch Fotos machten und uns mit dem Fischhändler unterhielten hat uns ein Mann angesprochen. Der Polizeichef der Gegend hat uns willkommen geheißen und sich nach unserem Befinden erkundigt, gleichzeitig hat er uns höflich aber bestimmt erklärt, dass wir hier nicht bleiben könnten, auch nicht bis morgen… „Welcome to Marokko but not here!“ Ein Junge hat das alles mitbekommen und uns zu seiner Familie zum Tee eingeladen. Also gut, noch ein schneller Tee und dann weg von hier. Aber es kam anders! Die Familie Mustakim wollte uns nicht mehr gehen lassen. Der Vater hat bei besagtem Polizeichef angerufen und ihm erklärt, dass wir nun seine Gäste seien. Raimund hat den Fisch gekocht, wir haben mit der Familie gegessen, am Abend wurde extra eine Flasche Cola für uns besorgt und wir hatten viel Spaß. Die Familie oder besser gesagt die 2 Brüder mit ihren Familien haben ganz einfache Häuser, die Männer haben Arbeit in der Stadt und bewirtschaften die Felder rundherum, die Kinder gehen zur Schule und die Frauen backen, kochen, kümmern sich um die Kühe und Schafe und alle wirken zufrieden. Bis auf die eine Sache. Das Grundstück in Strandnähe ist sehr begehrt und man will hier Hotels bauen. Um die Familie zu vertreiben hat man ihnen eiskalt den Strom abgezwickt. Der Vater rennt von einer Behörde zur nächsten und hat auch uns gebeten die Geschichte zu veröffentlichen. Am Heiligabend ist er nach der Arbeit noch nach El Jadida gefahren wo er Behördentermine hatte. Nächste Woche will ihnen die Gemeinde Bescheid geben wie es weiter geht. Wir haben den Heiligabend auf Drängen der Familie auch noch dort verbracht. Es gab Couscous zu Mittag und Milchreis am Abend und natürlich haben wir wie alle anderen auch mit den Fingern gegessen. Das hat alle amüsiert, ganz so geschickt waren wir wohl nicht. Am Abend hat Raimund unser Stromaggregat angeworfen und das erste Mal seit vielen Wochen konnte die Familie den Fernseher aufdrehen. Das war ein Spektakel! Da wurde ganz aufgeregt durchgezappt, die Handys wurden gleich geladen und wir mussten sämtliche Verwandte per Videotelefonie kennen lernen. Ein lautes buntes Durcheinander und ein sehr schräger Heiligabend für uns! Aber wir haben der Familie eine Freude bereitet und genau darum geht es doch, oder? Ein wunderbares Erlebnis welches aber auch sehr anstrengend für uns war. Die Kinder klebten an uns wie Kletten und dann ist da noch die sprachliche Barriere. Ein bisschen französisch und viel Hände und Füße haben uns aber gut durchgebracht. Nach 2 aufregenden Tagen war es aber Zeit zu gehen, auch, weil wir von einem geschmierten Strandwächter mehrmals täglich gefragt wurden wann wir denn endlich fahren wollten. Willkommen in Marokko aber NICHT HIER! Und so haben wir uns auf den Weg gemacht in die Stadt von 1000 und einer Nacht… Marrakech…